Samstag, 18. Juni 2011

Nullpunkt

Stell´ dir vor, du kommst aus dem Urlaub zurück und die Sekretärin des Chefs versucht dir mit aller Milde und Anteilnahme zu erklären, dass dir gekündigt wurde. Es dürfte dir den Boden unter den Füßen wegziehen. Du kannst ihr nicht böse sein, aber du wirst überwältigt von Wut und Ratlosigkeit und schließlich von Resignation. Dennoch wird dein Leben weitergehen. Du musst vielleicht bei Null anfangen.

An einem solchen Nullpunkt bin ich gelandet. Plötzlich hat vieles keine Bedeutung mehr, ist überflüssig und uninteressant geworden. Nicht nur die heruntergeladenen Filme oder die Internetseiten mit geistigem Wissen und Hintergrundinformationen oder einfach kulinarische Verlockungen spielen nun keine Rolle mehr, sondern ebenso Teile des eigenen Egos und sein Kleben an Meinungen und am Leben. Das Abschütteln war so stark, dass die 1.Person verloren ging. Aber für ein angenehmeres Lesen lasse ich sie zurückkehren. In der privaten Kommunikation wäre der dauernde Gebrauch der 3.Person eher krankhaft. Schließlich bin ich noch nicht so weit erleuchtet oder entrückt wie z.B. der Anlass zu meiner 2.Indienreise, Yogi Ramsaratkumar, der von sich durchweg als „dieser Bettler“ oder „dieses Kind Gottes“ sprach.

Der Neustart von (fast) Null wurde bewirkt durch jene Diagnose und das anschließende schockierende Abtasten der Lymphwege an Gesicht und Nacken. Das Ganze war ein Weckruf, vergleichbar mit dem Stockhieb oder dem Schrei des Zenmeisters. Es hat meinem Leben wieder Richtung gegeben. Dennoch war und ist da Schmerz. Es ist nicht mehr die Furcht vor der Krankheit selbst, die mich zeitweise gelähmt und traurig gemacht hat. Nachdem ich mich wieder vorgestern zulange im Netz mit dem Thema beschäftigt hatte und in der Nacht mich nicht gegen die wiederkehrenden Gedanken wehren konnte, geriet ich in einen See von Traurigkeit. Hinzu kam, dass ich in meiner Ungeduld keinen Heilungsfortschritt an meinem wunden Augapfel erkannte. Meine Gattin bemerkte meinen Zustand sofort. Und es brachte sie auf, zumal in den vergangenen zwei Tagen Gelassenheit und Normalität geherrscht hatte und sie sich gerade darauf freute, mich zu einem Mittagessen einzuladen, nachdem sie einen kleinen Betrag in der Lotterie gewonnen hatte.

Aber Zeit heilt alle Wunden. Gegen die quälenden nächtlichen Gedanken habe ich ein „Hausmittel“ gefunden: stoßgebetartige, wiederholte Formeln.
Dennoch beschäftigt mich der morgige Termin. In Gedanken gehe ich das Gespräch mit der Ärztin durch, lege mir englische Worte und Sätze zurecht. Es dürfte die endgültige Diagnose und Belege dafür zu erwarten sein. Das Kind muss einen Namen haben. Das wird aber wohl nichts an unserem Entschluss ändern, keine weiteren Tests wie die Ultraschalluntersuchung der Lymphknoten im Nacken oder gar eine CT und keine weiteren Therapien am Auge mehr zuzulassen, außer spätere Kontrolluntersuchungen desselben. Das Anfordern des pathologischen Befundes nach der Exzision war schon ein Fehler gewesen, ein großer Fehler.

Was mich in Unruhe versetzt ist, dass ich mein Leben bestimmen lassen sollte von einer medizinischen oder pathologischen Ansicht. Das Leben bestimmen göttliche Gesetze, nicht die von Banken und Konsum und Konventionen, von Pharmaindustrie, Politik und eigenen Zwängen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass, sollte sich etwas Entartetes im Körper befinden, es sich auch wieder entfernen lässt. Ich bin mir nur über die Einnahmeweise der MMS-Tropfen noch nicht ganz klar, werde aber notfalls nächste Woche damit beginnen. Es geht mir nicht darum, dieses Leben zu verlängern, sondern um die gegebene Zeit, den Neustart zu nützen, auch im Hinblick auf die weltweiten Veränderungen.

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