Samstag, 28. Mai 2011

In der Augenklinik

Seit meiner Erleuchtung (hihi) habe ich nicht mehr meinen Blog geöffnet. Nun will ich die Feder wieder ergreifen. Ich stelle den Bericht über meine Erfahrungen in 2 Augenkliniken ein, wie ich ihn in einem Thailand-Forum veröffentlicht habe. Er ist ein bisschen lang geworden.



In der Augenklinik


oder: Schau mir in die Augen, Frau Doktor!


Wann und wie es genau angefangen hat, weiß ich nicht mehr. Ich hatte mich an die Rötung im linken Augeninnenwinkel gewöhnt. In den Spiegel blicke ich nicht oft. Spiegel sind in Thailand meist sehr groß, aber eher nur als Hilfe geeignet, den Sitz der gegeelten Haare zu korrigieren. Für mein Bad hatte ich mir extra einen beleuchteten Spiegelschrank aus Deutschland mitbringen lassen. Wenn ich also das Ergebnis der Rasur darin überprüfte, sah ich die roten Äderchen und seit ein paar Monaten den Pickel, der sich da gebildet hatte. Meiner näheren Umgebung war dies hinter dem Brillenrand kaum aufgefallen. Nur Besucher aus Deutschland hatten nachgefragt.

Ich kann mich nicht erinnern, irgendwas hinein bekommen oder hinein gerieben zu haben. Die Augen sind ja ebenso wie Mund und Nase häufigen Belastungen ausgesetzt. Wenn wir mit dem Bus von einem Ende Bangkoks zum anderen unterwegs sind, habe ich stets einen Mundschutz dabei und auf die Brille stecke ich sowieso einen dunklen Aufsatz. Aber Staub und Blas- und Zugluft treffen einen überall und trockene und gereizte Augen sind unvermeidbar.

Der Pickel im Auge tat nicht weh und beeinträchtigte nicht mein Sehvermögen. Aber er wurde langsam größer und mitunter hatte ich das Empfinden von einem Fremdkörper. Ich beschloss also, ihn untersuchen zu lassen. In jeder größeren Straße oder Einkaufspassage gibt es mehrere Brillengeschäfte, aber ich kenne keine Augenarztpraxis. Die Suche im Internet, in dem ich übrigens keine zu meinem Problem passenden Bilder oder Informationen finden konnte, führte mich zur Rutnin Augenklinik. Die Thais sprechen es aus wie Ratanin oder Rutinin. Jedenfalls hatte sie gute Kritiken und war für mich bequem zu erreichen.

Meine Gattin und ich fuhren also mit dem Airportlink bis Makkasan und liefen den kurzen Weg die Asok entlang. Am Empfang bekam ich einen Termin für 14 Uhr, vier Stunden Zeit, die Gegend anzuschauen. Es gibt da fast nur Büro- und Wohnsilos. Wir trotteten auf und ab, tranken Kaffee an der Straße und aßen schließlich in einem kleinen Isaan-Restaurant, das sich über Mittag schnell füllte. Mein gebratener Reis mit Krebsfleisch schmeckte nach nichts, aber meine Gattin meinte, sie habe selten so guten Reis gegessen. Lange vor dem Termin waren wir zurück. Vielleicht kommen wir ja früher dran. Im Erdgeschoss befinden sich ein Brillenladen, die Kasse und die Anmeldung, im ersten Stock sind die Behandlungsräume, sowie ein kleines Kaffee mit Bücherladen. Und zahlreiche bequeme Sessel, denn warten muss man lange.

Die Personalien wurden aufgenommen. Ich hatte nicht an den Pass gedacht, doch der Führerschein genügte auch. Wie in jedem Krankenhaus, in dem ich war, wurde für mich eine Ausweiskarte angefertigt. Als wir uns zu Beginn der Auswanderung in dem Krankenhaus in unserer Straße die letzte Hepatitisinjektion geben ließen, zahlten wir 10 Baht für das Kärtchen und 40 Baht für das Spritzen, wobei wir noch nie so sanft gepiekst wurden. Und die Hosen wurden uns auch noch hochgezogen.

Eine Akte wurde angelegt und ich erhielt eine Laufnummer. Für die Anfangsuntersuchung musste ich nur kurz warten. Statt wie in anderen Häusern routinemäßig der Blutdruck und das Gewicht, wird hier der Augendruck gemessen und ein Augenintelligenztest, bzw. Sehtest durchgeführt. Die Schwester wollte noch meine Brille vermessen, aber ich konnte sie die Werte vom Brillenausweis abschreiben lassen. Die bei jedem Besuch durchgeführten Untersuchungen dienen nicht zuletzt der Kostenerhebung, in diesem Fall 230 Baht als „Other Medical Service Charges“. Die 50 Baht für „Other Hospital Charges“ sind wohl für die Patientenkarte, obwohl meine Frau meint, die werden schon für den Wai beim Empfang erhoben.

Dann hieß es warten. Es waren etwa 60 Patienten im großen Raum verteilt, die dann unter Nennung des Vornamens in die angrenzenden Ärztezimmer gerufen wurden. Die meisten waren gut gekleidete Thais, ein paar Männer arabischer Herkunft und Frauen in schwarzer Ganzkörperumhüllung, sowie 4-5 Farangs. Auf Bildschirmen lief ein Film, Zeitschriften und Trinken war angeboten. Wie im Land üblich bedeuten Termine nichts und es entsteht bei der Arbeit keine Hektik.

Meine Ärztin war jung und hübsch und sah mit ihrem bleichen Teint und den langen, glatten Haaren und mit den daraus hervorstehenden Ohren aus wie ein Geschöpf aus Der Herr der Ringe. Sie wusste auch nicht sicher, um was es sich handeln könnte, und wollte eine weitere Ärztin hinzuziehen, die, wie ich später auf der Homepage der Klinik feststellte, nur Montag nachmittags anwesend war. Um eine Infektion auszuschließen, sollte ich versuchsweise Augentropfen nehmen und in 6 Tagen wieder kommen. Das Entfernen der Schwellung hielt sie aber für geboten, schon um festzustellen, ob sie gut- oder bösartig ist.

Nach einer weiteren Wartezeit konnte ich nach unten gehen, wo ich die beiden Arzttermine bekam und die Rechnung begleichen durfte: zuzüglich zum Vorgenannten 705 Baht für Arzt und Management und 455 Baht für die beiden Fläschchen Augentropfen. Dazu erhielt ich aber ein schönes Stofftäschchen.

Es war noch zu früh, um nach hause zu gehen, und so fuhren wir mit der MTR die eine Station zur Sukhumvit, wo wir in die BTS umstiegen und eine Station weiter nach Phrom Phong fuhren. Meine Gattin wollte schon lange mal ins Emporium. Sie kaufte dann ein paar Dinge in der Lebensmittelabteilung. Daran angrenzend gibt es einige kleine Restaurants und im Duke´s Expresse habe ich eine meiner besten Pizzen in Thailand gegessen, griechisch, mit viel Schafskäse.



2.Besuch in der Rutnin

Montag, der 2.Mai, war ja ein Ersatzfeiertag für den Sonntag. Es war wenig los auf der Straße, doch in der Rutnin Augenklinik war voller Betrieb. Den Termin, auf den ich tags zuvor noch per SMS auf mein tragbares Telefongerät hingewiesen worden war, hatte ich um 15.40 Uhr. Erst dreieinhalb Stunden später sollte ich die Klinik wieder verlassen. Meine Gattin hatte sich etwas zu lesen mitgenommen und kuschelte sich in einen der Wartesessel. Die Eingangsuntersuchung verlief schneller, zumal ich darauf hingewiesen hatte, dass ich wegen meines linken Auges gekommen war. Aber die 230 Baht für Medical Service müssen ja begründet sein.

Auf dem Bildschirm lief Rocky IV, was mir Übelkeit verursachte. Aber ich verspüre nie Langeweile, obwohl der Termin mehr als eine Stunde überzogen wurde. Die antibiotischen Augentropfen, die ich genommen hatte - die einen dreimal täglich, die anderen alle 3 Stunden -, hatten erwartungsgemäß keine Veränderung gebracht. Auf dem Bild, das die Ärztin von der Spaltlampe an die Wand projizierte, waren der Pickel und die umgebenden Adern gut zu erkennen. Die zweite Ärztin arbeitete nebenan. Sie machte einen kompetenten Eindruck. Sie stellte fest, dass die Masse, wie sie sagte, auf der Hornhaut beweglich sei, also nur aufsitzt. Dennoch sollte sie entfernt und untersucht werden. Die Operation sei, wie mir die erste Ärztin dann weiter erklärte, kein großes Problem. Das Auge werde betäubt und mit einem Gerät offen gehalten, die Masse werde herausgeschnitten und die Öffnung mit 3,4 Stichen vernäht. Falls das Loch zu groß sei, könnte künstliche Hornhaut eingefügt werden. Sie zeichnete ein Auge und malte darin 4 Kreuze. Es dürfe nur nach der OP eine Woche lang kein Wasser ins Auge gelangen. Das Gesicht müsste mit einem feuchten Tuch gereinigt werden. Auf die Frage nach dem Haare waschen meinte sie, das müsse jemand anders bei zurück geneigtem Kopf übernehmen oder eben der Friseur.

Ich hatte mich bisher ohne Schwierigkeit in Englisch unterhalten und war bewusst allein in die Untersuchung gegangen. Jetzt bat ich, meine Frau hinzu zu holen und ihr alles zu erklären. Wir fragten nach den Kosten der Operation. Dies würde uns eine Schwester anschließend ausführen. Wir sprachen darüber, dass wir nicht krankenversichert sind. Die Ärztin meinte, wir könnten die Operation auch kostengünstiger in einem öffentlichen Krankenhaus durchführen lassen. Sie würde dann alle Unterlagen mitgeben. Wir müssten uns auch nicht gleich entscheiden, sondern könnten die weitere Entwicklung der Masse beobachten und anhand von Bildern dokumentieren. Ein Foto würde 500 Baht kosten.

Wir nahmen im Wartesaal platz. Nach geraumer Zeit erschien eine Schwester und fragte uns, ob es uns recht sei, wenn sie hier mit uns spreche, da der Doktor gerade mit einem Patienten beschäftigt sei. Sie führte uns etwas abseits. Meine Frau sagte mir später, dass sie gesehen hatte, dass eine Ärztin allein in den Raum war, aus dem die Schwester kam. Diese zeigte uns nun ein bedrucktes Papier, auf dem unten in großen Ziffern mit Kugelschreiber der Betrag stand: 25 – 35 000. Wir waren baff. Die Situation hatte etwas von einem indischen Schneiderladen, aber wir hatten ja keine Vorstellung von den Kosten. Auf meine Frage nach der Spanne im Betrag meinte sie, das käme auf die Operationsdauer an. Ob damit auch die Kosten für das Fädenziehen eingeschlossen sind? „Yes, operation and after-operation.“ Wenn wir uns zur OP entschließen würden, sollten wir sie anrufen. Sie forderte meine Frau auf, mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass die Aufklärung stattgefunden hat. Weder habe ich dieses Papier zu Gesicht bekommen, noch erhielten wir ihren Namen und Telefonnummer.

Dann sollte ich mit ihr gehen, um das Foto zu machen. Meine Frau und ich sahen uns an. Dies war mit der Ärztin nicht abgemacht. Aber wir waren einverstanden. Auf dem Weg versuchte sich die Schwester einzuschleimen. „Oh, I see you´re from Germany. I like Germany.“ Sie brachte mich in einen Raum, in dem einige Patienten saßen, denen eine Schwester in kurzen Abständen Augentropfen verabreichte. Es gab Behandlungskabinen und tiefer drinnen weitere Räume, auf die unsere Nurse zuschritt. Ich durfte platz nehmen und warten. Nach kurzer Zeit kam sie lächelnd wieder heraus. Ich wartete eine weitere halbe Stunde, bis ich nach hinten gerufen wurde, wo ein junger Mann an einer einfachen Spaltlampe Aufnahmen machte. Ich wollte sie gleich mitnehmen, aber er sagte, er würde sie runter schicken.

Unten an der Rezeption bekam ich einen weiteren Termin für den 30.Mai. Ich zahlte an der Kasse. Erst als ich anschließend die Rechnung in den Händen hielt, sah ich, dass da für Polaroid 1000 Baht stand. Ich verwies darauf, dass die Ärztin von 500 Baht gesprochen hatte. Die Damen wollten Rücksprache halten und nach einen kurzen Telefonat per Handy gab man mir einen 500 Baht Schein und eine neue Rechnung. Sie hatten wohl mit ihrer Kollegin gesprochen und das bereitgelegte Geld raus rücken müssen. Das Lächeln und die Freundlichkeit waren verschwunden. Ich verlangte die Aufnahme und erhielt ein bedrucktes DIN A4 Blatt mit zwei unbrauchbaren Bildern (aus acht) eines Auges, seitenverkehrt und unscharf. Wir verließen die Klinik mit der Absicht, nicht mehr wieder zu kommen. So kann man auch in einer renommierten Einrichtung Gefahr laufen, Opfer des Volkssports zu werden: Wie kann ich meinen Mitmenschen übers Ohr hauen.



Im Chulalongkorn

Freunde und Verwandte hatten sich von Anfang an bereit erklärt, bei der Suche nach einem Augenarzt zu helfen. In die engere Auswahl kamen eigentlich nur das Siriraj und das Chulalongkorn. Zwar betreiben nicht wenige Augenärzte, die in einem Krankenhaus angestellt sind, an Wochenenden und in den Abendstunden, ihre eigene Praxis, aber zu Unzeiten in die nächste Provinz zu fahren, war keine Lösung. Schließlich machte eine liebe Verwandte einen Termin bei einem Arzt im Chula und war bereit, uns dorthin zu begleiten. Wie sinnvoll diese Hilfe war, sahen wir gleich.

In ihrem Büro, das in der Nähe des Krankenhauses liegt, machte sie noch die erforderliche Kopie von meinem Pass. Über den Eingang für Notfälle gelangten wir auf Umwegen zur Anmeldung. Dass der Eingang an der anderer Straße liegt, bemerkten wir erst beim zweiten Besuch. Das Chulalongkorn Hospital selbst und seine Lehreinrichtungen besteht aus zahlreichen Gebäuden. Das weite Areal ist zum Teil eine Baustelle. Der Augenfachbereich ist im elften Stock eines der Hochhäuser. Unten mussten wir uns anmelden. In dem Chaos hätten wir uns nicht zurechtgefunden. Meine Frau erleidet schon beim Gedanken an Behörden, Formularen und Uniformen körperliche Abwehrreaktionen. Nirgends war ein Wort in Englisch zu lesen oder zu hören. Die Verwandte ging für uns an den richtigen der vielen Schalter und füllte den Bogen aus. Meine Daten musste ich aber dann doch in Englisch nachtragen. Das Krankenhaus wird vom Roten Kreuz geführt und Schwestern verkauften Ansteckblumen und an einem Stand Andenken und T-Shirts. Alle liefen durcheinander.

Wir wurden zu einem anderen Schalter gerufen und nachdem ein Bild von mir gemacht worden war, bekam ich meinen Ausweis in Scheckkartenformat mit Foto. Die Kosten von 30 Baht waren sofort zu begleichen. Ich erhielt einen Zettel, den ich an der Anmeldung im elften Stock auf einen Nagel spießen durfte. Im Saal saßen etwa 100 Personen, aber ich musste nicht lange warten, bis ich in den nächsten Raum gerufen wurde, wo sich der Reihe nach alle vor zwei Spaltlampen setzen mussten und den Augendruck und noch was gemessen bekamen. Es gab kleine getränkte Tupfer zum Abwischen der Auflagen für Kinn und Stirn. Unsere Mappe durften wir in den nächsten Raum mitnehmen, wo die Sehstärke durch Ablesen der Ziffern getestet wurde. Alles verlief routiniert und das Personal war sehr freundlich. Nur Englisch sprechen sie nicht gern, dafür die Ärzte um so besser.

Dem Arzt konnte ich die vagen Diagnosen der Rutnin vorlegen und er gab mir gleich einen Termin für Sonntag Vormittag bei einer anderen Ärztin. Obwohl er eine Infektion ausschloss und auch zur Entfernung und histologischen Untersuchung des Pickels riet, sollte ich die einen Augentropfen weiter anwenden. Er hinterließ einen sehr positiven Eindruck.

Während wir im Wartesaal auf das Ausstellen der Rechnung warteten, konnten wir einen umfassenden Blick auf den Lumpini Park werfen. Und auf das Dusit Thani Hotel. Als wir vor 36 Jahren heiraten - an der anderen Straßenecke in der Schlangenfarm mussten wir uns damals die vorgeschriebenen Impfungen für die Einreise nach Deutschland geben lassen -, war dies das höchste Gebäude in Bangkok. Bald wurde mein Name, also immer Mister und der Vornahme, ausgerufen und gleich der Betrag dazu, der zu zahlen war: 420 Baht, davon 300 für den Arzt.

Anschließend wollten wir noch in der Silom schoppen gehen. Wir kamen aber nur bis zum Tops in einem Untergeschoss. Als wir wieder raufkamen, goss es in Strömen. Wir beschlossen heimzufahren, mit der U-Bahn von Silom nach Phetchaburi und von da, bzw. Makkasan mit dem Airportlink. Eine nette Begegnung hatte ich noch; eine junge Dame bestand mit einem Lächeln darauf, mir ihren Schirm anzubieten für die paar Schritte vom Geschäft zum Fußgängerübergang, der zur U-Bahn Station und zur BTS Station führt. Meine Gattin hatte sie gar nicht wahrgenommen, aber die Zeiten der Eifersucht sind längst vorbei.



2.Besuch im Chulalongkorn

An einem Sonntag morgen herrscht kein Gedränge in den Zügen von Airportlink und U-Bahn und wir konnten entspannt praktisch bis vor den Eingang des Krankenhauses fahren. Über die Fußgängerbrücke und den uns bekannten Schleichweg gelangten wir in den elften Stock und spießten den Terminzettel auf den Nagel an der Anmeldung. Da so jeder Patient der Reihe nach drankommt und auch keine feste Uhrzeit sondern eine Zeitspanne als Termin angegeben ist, entsteht keine Ungeduld und kein Drängen. Und obwohl mehr Patienten und Angehörige warten als im Rutnin, geht alles zügiger von statten als dort. Das Personal ist freundlich und hilfsbereit, macht gerne Scherze und ist keinesfalls hochnäsig. Sie freuen sich, einen wiederzusehen. Für einen jungen Pfleger, der bei meinem letzten Sehtest froh war, dass ich etwas Thai sprechen konnte, bin ich eben Mr. John. Heute assistierte er der Frau Doktor, wobei er zunächst die Reihenfolge des Eintretens festlegte. Zuvor hatte ich wie üblich die Tests in Raum 1 und 2 zu absolvieren.

Die Frau Doktor war uns sofort sympathisch. Ihr Name wurde mir anschließend als Dr. Ausanee, sprich Ussani, aufgeschrieben. Ihr Englisch war perfekt. Meiner Gattin fiel auf, dass sie mehr mit mir als mit ihr sprach. Sie untersuchte die Beschaffenheit und Beweglichkeit der Wucherung und hielt die Entfernung für das Beste. Sie würde in genügend Abstand herum schneiden. Ob dann nicht ein großes Loch entstehen würde? Nein, und es würden auch keine Narben bleiben. Ob genäht werden muss? Nein, aber das könne sie mit mir ja während der Operation noch besprechen, ich sei ja bei Bewusstsein. Sie spürte meine Besorgnis und versprach: „I promise, I won´t hurt you!“ Sie werde die Masse anheben - sie führte Daumen und Zeigefinger zusammen und nach oben - und „schnipp, schnipp!“; sie machte die entsprechende Bewegung dazu. Als wir dann nach den Kosten fragten und sie etwas von 10 000 sagte, war die Entscheidung gefallen. Ich empfand völliges Vertrauen zu ihr.

Ich weiß nicht, ob sie nur an Wochenenden praktiziert. Jedenfalls wurde der nächste Samstag als OP-Tag und der Sonntag als Tag der ersten Nachuntersuchung von ihr festgelegt. Eine Schwester sollte mir das Nähere erläutern. Diese führte mich in einen Raum mit vielen Wandschränken, in dem auch drei Liegen standen. Da gab es ein kleines Missverständnis. Sie sagte etwas von 6 und 7 Uhr, was mir doch recht früh vorkam und ich fragte, ob wir den Termin nicht um 8 machen könnten, da wir ja eine weite Anreise hätten. Sie wollte die Frau Doktor fragen und ließ mich allein. Eine andere Schwester kam und verwies mich aus dem Raum zurück in den Ärzte-Wartesaal. 8 Uhr war in Ordnung. Wir wussten aber nicht, dass alle zu Operierenden zwischen 6 und 7 erscheinen sollten, um eingewiesen und vorbereitet zu werden. Es wurde noch nach Erkrankungen und Medikamenten gefragt und uns der Terminschein, sowie ein Merkblatt in Thai und ein Lageplan ausgehändigt, denn der Eingriff sollte in einem anderen Gebäude stattfinden. Und er würde mehr als 10 000 kosten, aber keine 20 000. Nur kurz mussten wir warten, bis ich zum Bezahlen der Rechnung aufgerufen wurde. Wieder 420 Baht wie letztes Mal.

Wir fanden über den Haupteingang aus dem Gebäude und liefen die Silom hinunter. Es war nicht viel los um diese Zeit. Wir tranken einen überteuerten Cappuccino an der Straße. Direkt an der BTS Station Sala Deng gibt es ein größeres Kaufhaus und kaum hatte wir das Fuji-Schild gesehen, steuerten wir auch darauf zu. Wir sind 2-3 mal in der Woche Gast bei diesem Japaner. Danach wollte meine liebe Gattin noch ins Paragon, das ja nur zwei Stationen weit entfernt ist. Sie durchstreift dort gern den Supermarkt und vergleicht das Angebot und die Preise. Einkaufen tut sie nur wenig, vielleicht Kräuter und Salate und saure Drops von Nimm2. Anschließend tranken wir noch wie schon öfters einen Kaffee an einem Koiteich im Außenbereich. In Phayathai stiegen wir in den Airportlink und fuhren zufrieden nach hause.



Vor der OP

Sechs Tage Galgenfrist. Im Internet fand ich nichts, das auf meinen Fall passen könnte; dafür Videos von Lasik-Operationen und Informationen über Augenkrebs. Bilder von mit Spreizern offen gehaltenen Augäpfeln, Skalpellen, die sich meinem Auge nähern, und viele Fragen ließen mich nachts nicht wieder einschlafen. Ich bekam mehr Bammel als ich zulassen wollte.

Wir planten stressfrei anzukommen und meine Gattin hatte für 5.45 Uhr ein Taxi bestellt. Nicht zu früh. Wir brauchten zwar bei der raschen Fahrt über den Highway nur 35 Minuten, aber kaum betraten wir das Gebäude, von dem aus wir erwarteten zum Operationsort in einem anderen Haus gebracht zu werden, wurde ich über mein Handy gefragt, wo wir seien. Wir machten uns auf den Weg über Parkhöfe und überdachte Gänge und mussten zweimal nachfragen, was meine Frau nicht gerne tut. Aber der Tag sollte noch weitere Herausforderungen für sie bringen. Als wir dann dort im 3.Stock ankamen, saßen ein paar Leute auf den Stühlen im Gang vor der Anmeldung. Es waren Begleitpersonen der anderen zu Operierenden. Eine Frau zeigte uns, wo wir den Zettel abgeben konnten, und gleich erschien eine Schwester mit meiner Akte. Sie stellte die üblichen Fragen nach Name, Augenseite, Krankheiten, Allergien und Medikamenten, zeigte uns Merkblätter und ließ uns unterschreiben. Meine Frau musste zusätzlich noch ihren Namen auf Thai schreiben, was ihr nicht geläufig ist, denn sie unterschreibt meist mit Ka-Bumm, also dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens und Punkt, aber sie konnte den Namen aus der Akte abschreiben. Ich hatte gerade noch Zeit die Anweisungen für die Zeit nach der OP in Englisch zu überfliegen, da bat mich die Schwester auch schon herein. Brille und Geldbeutel musste ich bei meiner Gattin lassen.

Sie bemühte sich Englisch zu sprechen und forderte mich auf, meine Schuhe gegen ein Paar Schlappen zu tauschen. Sie reichte mir einen hellblauen Pyjama. Ich sollte mich umziehen. Completely, bestätigte sie auf meine Nachfrage. Ein Pfleger kam und knüpfte für mich die Schleifchen an der Wickeljacke. Er führte mich am Arm vor ein Waschbecken, tropfte Seifenlotion auf meine Hände und deutete mir an, Gesicht und Hände zu waschen. Das Abtrocknen der Unterarme übernahm er selbst und geleitete mich dann in den Warteraum. Dort saßen vier ältere Damen und ein Herr auf breiten Sesseln. Eine hagere Schwester ließ sich wieder den Namen und die Augenseite bestätigen, streifte mir eine Haube übers Haar und klebte eine Kompresse vor das linke Ohr. Ab und zu verabreichte sie den Anderen Augentropfen. Sie erkundigte sich nach meinen Sprachkenntnissen und begann für alle Patienten eine Belehrung, was wir nach der OP zu beachten hätten und wie wir die Tropfen und Pflegemittel anwenden sollten, die wir dann in einem Täschchen mitbekommen würden. Es dürfe kein Wasser oder Schweiß oder Schmutz in das operierte Auge gelangen. Das bedeutete also Vorsicht beim Schlürfen der Nudelsuppe und beim Zubereiten und Verzehren von Som Tam. Anschließen hielt sie draußen offensichtlich den Angehörigen den gleichen Vortrag. Später maß sie meinen Blutdruck. Er fiel noch höher aus als üblich. „Jai den“ (wörtlich: tanzendes Herz), meinte sie, die Aufregung. 161/93 schrieb sie auf den Namenszettel, den sie mir anklebte.

Ich war froh, meine Socken anbehalten zu haben. Weit über eine Stunde saß ich in meinem dünnen, kurzärmligen Hemdchen in dem gut gekühlten Raum, der wohl auch mal als Operations- und Lehrsaal gedient hatte, bevor die Aircondition mit der Frage, ob kalt sei, abgeschaltet wurde. Aus unserer schweigenden Gruppe wurden der Reihe nach die Frauen abgeführt wie zur Schlachtbank und kamen für eine Zeit lang mit verbundenem Auge zurück. Schlafen konnte ich nicht, obwohl mir ein langes Kissen untergeschoben wurde. Ich wurde aber rührend umsorgt. Zweimal kam die Schwester von der Anmeldung und fragte wie es mir ginge. „Don´t be afraid! Many nurse!“ Ich hatte sie anfangs nach einer „Alles-egal-Pille“ gefragt, von der ich gelesen hatte. Es gab keine. Aber das stille Warten und der monotone Singsang der Thaimusik hatten dieselbe Wirkung. Kein Fluchtgedanke mehr, nur der Wunsch, dass es bald vorbei sein möge.

Ich fand sogar zu meinem Lächeln zurück. Jeder Tag hat für mich auch eine geistige Dimension, eine spirituelle Botschaft und Aufgabe. Irgendwie sehe ich mein Augenproblem auch im Zusammenhang mit den Plagen, die die Erde und die Menschheit bald treffen, mit den vielen Einschränkungen und Verlusten dabei. Als eine Art Vorbereitung also. Es gelang mir wieder, im Augenblick zu verweilen. Jetzt ist der beste aller Augenblicke! Was im Augenblick geschieht, ist das Beste, das mir passieren kann!

Während der Mann als letzter vor mir hin ausgeführt wurde, kam die Ärztin oder Schwester, die beim Eingriff assistieren würde, und fragte mich nach Befinden, Namen und Augenseite und ob ich schon einmal am Auge operiert worden sei. Alle Ansprache und Zuwendung erschien mir über den normalen klinischen Ablauf hinauszugehen. Ich fühlte mich geborgen. Schließlich kam auch Dr.Ausanee selbst. Sie fragte, ob ich sie wieder erkennen würde. Das tat ich, zumal ich ihr Bild im Internet gefunden hatte, aber in meiner Schläfrigkeit war ich zu langsam um ihren Namen auszusprechen. Sie sagte, ich solle ganz beruhigt sein. Gleich würde ihre Assistentin mir Augentropfen geben, die das Auge schmerzfrei machen würden, und in 40 Minuten sei alles vorbei. Ich bat darum, vorher noch auf die Toilette gehen zu dürfen. Der Pfleger führte mich wieder in den Umkleidebereich. Da wir eine andere Patientin vorlassen mussten, suchte ich durch das Anmeldefenster nach meiner Gattin. Die sei oben beim Bezahlen, sagte mir die Schwester. Somit war auch geklärt, wann die Rechnung beglichen werden würde. Wir hatten Bargeld dabei, obgleich vorher betont wurde, dass auch Kreditkartenzahlung möglich sei. Ich hoffte, dass meine Frau das Geld in meinem anderen Geldbeutel finden würde. Über die Schwester ließ ich ausrichten, dass ich nun dran käme.

Die Toilette war wie die anderen Räumlichkeiten nicht mehr der neueste Standard. Es gab da noch mehrere verbundene Räume, in denen im Halbdunkel einige Betten standen und Geräte und Kartons. Soweit ich es eben ohne Brille sehen konnte. Allein ging ich in den leeren Warteraum zurück. Aber kurz darauf erschien eine Schwester und führte mich zu einem Stuhl vor dem OP-Saal. Sie reichte mir zwei 500er Paracetamol und Wasser in einem Pappbecher. Ich dachte, es würde nicht weh tun. „Yes, no pain.“, sagte sie.



Die OP

Augentropfen wurden verabreicht. Dr.Ausanee holte mich selbst in den OP. Sie fragte, ob sie mit mir in Thai oder in Englisch kommunizieren solle. Ich zog Letzteres vor. Sie machte eine lustige Bemerkung. Die anderen Frauen des Teams unterhielten sich weiter und machten Scherze. Ich war völlig ruhig und bereit.

Sie half mir auf die Operationsliege. „The shirt is too small.“ stellte sie fest, als beim Hochrutschen das Hemd klemmte. „The bed is too small.“, sagte ich, da ich meine Arme nicht neben mich auf die schmale Liege legen konnte. Ich solle sie auf dem Bauch verschränken. Eine Schwester drückte sie an mich. Aber dadurch fiel das Atmen schwer. Für den Rest des Eingriffs hakte ich meine Daumen in den Hosenbund. Dr. Ausanee erklärte mir nun jeweils die Schritte. Ich bekam Augentropfen ins linke Auge, das sich bald fast pelzig anfühlte. Mit einem grünen Tuch wurde ich zugedeckt und mein ganzes Gesicht wurde mit einer getränkten Kompresse an einer Klammer abgerieben und desinfiziert. Ich dürfte rotbraun ausgesehen haben. Mein rechtes Auge wurde mit einer Kompresse zugeklebt. Sie breiteten ein Tuch über mich aus, das nur einen Ausschnitt für das linke Auge hatte. Fortan atmete ich unter diesem Tuch. Das Loch wurde steril umklebt und ein Lampe auf das Auge gerichtet. Dr. Ausanee stellte sicher, dass ich genug Luft zum Atmen hatte, und fragte, ob mich das Licht blenden würde. Das tat es nicht. Eine Folie wurde übers Auge geklebt und längs aufgeschnitten und dann der Retainer gesetzt, was aber gar nicht lästig war. Mein Auge lag offen da fürs Messer.

Ich hatte keinerlei Schmerzen und bekam von den Details des Eingriffs wenig mit. Ich hörte nur die Maschinengeräusche, wenn Blut abgesaugt wurde. Dr. Ausanee forderte mich immer wieder auf, ganz nach links zu blicken, was mir gar nicht so einfach vorkam, zumal meine Sicht milchig getrübt war, besonders da scheinbar auch die Linse abgedeckt worden war, und ich so keinen Fixierungspunkt hatte. „That´s great!“, durfte ich dennoch oft hören. Das Zeitgefühlvverschwand, aber nach 30 Minuten war es wohl vorüber und der Spreizer und die Abdeckungen wurden entfernt und das Gesicht gereinigt. Dr. Ausanee verlangte von der Assistentin, einen Druckverband anzulegen. Darüber wurde ein durchlöchertes Plastikschild geklebt. Nach Entfernen der Tücher half man mir mich aufzusetzen und die Frau Doktor lehnte sich neben mich, ihre Handtasche schon am Arm. Sie zeigte mir das gemalte Bild eines Auges und darin einen roten Punkt. Ich konnte nicht erkennen, ob es nur gezeichnet war oder es sich um das entfernte Stückchen Fleisch handelte. Sie würde es zur Untersuchung schicken. Und die Chancen ständen 50 zu 50, dass der Tumor gut- oder bösartig sei. Davon ließ sie sich nicht abbringen. Morgen um 9 würde sie den Verband entfernen. Ich solle mich ausruhen. Mit einem Rollstuhl wurde ich den kurzen Weg zum Umkleiden gefahren. Der Pfleger half mir wieder dabei. Ich fühlte mich etwas schwindelig, war aber durchaus in der Lage hinaus zu meiner Frau zu gehen, die alleine im Gang wartete.

Sie war zuvor in den 7.Stock gefahren, wobei sie sich allein im Lift gar nicht wohl fühlte, und hatte wie die anderen Angehörigen die Rechnung bezahlt. In meinem Fall 1 300 Baht für das Entfernen des Anhängsels (excision adnexa), 140 für das Reinigungsset, 285 und 195 für Medikamente, also die Augentropfen und einen Streifen Paracetamol sowie künstliche Tränen und 10 000 für den Arzt, zusammen also 11 920 Baht. Im Rutnin hätte ich das Doppelte bis Dreifache zahlen müssen. Das Pflegeset und das andere Material war ihr bereits in einer Tüte ausgehändigt worden. Bevor wir den Terminzettel bekamen, musste meine Frau nochmal weg und die Vorauszahlung für die histologische Untersuchung begleichen, 340 Baht. Kaum war sie zurück, kam Dr. Ausanee zu uns, meinte dass alles gut gegangen sei, wir nach hause fahren und uns erholen sollten. Bei Schmerzen sollte ich die Tabletten nehmen. In 7 bis 10 Tagen würden wir das Ergebnis erfahren. Wir empfanden Vertrautheit und Zuneigung und bedankten uns artig.

Die Brille konnte ich bei dem dicken Verband nicht aufsetzen, doch ich konnte bis auf Verschwommenheit in der Ferne ausreichend sehen. Dennoch ließ ich mich gerne führen. Vor dem Haus ist ein kleines offenes Restaurant und vom Duft angeregt bestellte sich meine Frau etwas zu essen. Ich wollte nur das rechte Auge auch schließen und ausruhen. Bei geschlossenen Augen nahm ich die Eindrücke intensiver wahr, die Wärme, den Windhauch, das köstliche, kalte Wasser, den Kaffee aus dem Pappbecher. Wir mussten nicht weiter an die Straße, sondern konnten uns ein vorbeifahrendes Taxi nehmen. Es war kaum Verkehr und wir kamen auf der alten Rama IX rasch voran. Diesmal überließ ich es meiner Frau, das Taxi über das Flughafengelände zu dirigieren.

Bei meiner ganzen Meditationspraxis habe ich wohl an keinem Tag so lange die Augen geschlossen gehalten. Ich setzte mir den Gehörschutz auf und legte mich still auf das Sofa. Ich war müde, erleichtert und meist ganz im Augenblick. Bis auf ein zeitweiliges leichtes Druck- oder Reizempfinden am Auge hatte ich keine Schmerzen. Im Gegenteil, ich fühlte mich leicht und mit dem All verbunden. Mein Hauptimpuls war: ich bin völlig zufrieden und dankbar für den Augenblick, es gibt nichts darüber hinaus zu erfahren. Es ist wie mit dem halb vollen Glas, nur dass kein Gedanke an einen anderen Füllungsstand da ist.

Ich machte mir später eine Spargelcremesuppe von Heisse Tasse und am Abend gab es belegte Brote und Milch. Ich verbrachte fast die ganze Zeit des Tages und auch die Nacht auf dem Sofa, zumal ich mich laut Merkblatt nicht auf die operierten Seite drehen sollte.



Danach


Rasur und Haarwäsche fielen heute aus. Meine Gattin hatte vernommen, dass es günstig wäre, frühzeitig in der Klinik zu erscheinen, und so konnten wir schon um 7 Uhr den Anmeldeschein auf den Nagel spießen. Es waren bereits einige Patienten und Angehörige anwesend, darunter auch mein Mitpatient von gestern. Doch erst um 8.30 Uhr wurden alle Ventilatoren und Bildschirme eingeschaltet. Auf jedem Gerät lief ein anderes Programm, um diese Zeit meist Trickfilme, aber Geräuschkulisse muss sein in öffentlichen Räumen. Wir wurden dann bald in den hinteren Warteraum gerufen und von dort wurde ich in den Raum gebeten, aus dem ich eine Woche zuvor vertrieben worden war. Ich bestieg neben meinem Kollegen die mittlere Liege und eine Schwester entfernte den Verband. Mein Auge muss ziemlich blutverklebt gewesen sein. Jedenfalls machte sie eine entsprechende Bemerkung und brauchte einige Zeit um es zu säubern. Das Reinigen der Wimpern bei offenem Auge war nicht besonders angenehm. Wir hatten unseren Beutel von gestern mitbringen müssen, aber sie benutzte hauseigenes Material. Ich konnte wieder meine Brille aufsetzen. Meine Sicht war ungetrübt. Ich fragte nach einem Spiegel. Es gab keinen. Die Plastikkappe gab sie mir mit. Damit muss ich nachts das Auge abdecken, damit ich nicht unabsichtlich daran reibe.

Mit meiner Mappe wurde ich in den Raum 1 geschickt, also zur Voruntersuchung im Gang. Weil gerade der Stuhl vor einem Gerät frei war, nahm ich Platz. Die Tests dauern ja nur Sekunden. Mein Pfleger freute sich, Mr.John wiederzusehen. Mein Hinweis auf die gestrige OP wurde zwar wahrgenommen, aber dennoch wurde auch das operierte Auge mit Luftstößen bedacht. In Raum 2 kam ich sofort dran. Aber ich musste mit Erschrecken feststellen, dass ich mit dem linken Auge schlechter sehen konnte. Da half es auch nicht, nach meiner Frau zu rufen und die alte Brille zu probieren. Ich hatte auf die gleichstarke Ersatzbrille gewechselt, weil ich hier einen besseren dunklen Aufsatz aufstecken kann. Durch das Loch in der vorgehaltenen Plastikscheibe war die Sicht etwas besser. Die Augenmuskeln waren wohl noch nicht so beweglich.

Dr. Ausanee begrüßte mich herzlich und fragte, wie es mir gehe und wie viele Schmerztabletten ich genommen hätte. Keine. Sie fragte nach meiner Frau, und als diese erschien, begrüßte sie sie mit einem scherzhaften Wai bis zum Scheitel. Ob ich gequengelt habe, wollte sie von ihr wissen. Während ich in die Spaltlampe blickte, meinte sie, sie habe den Tumor ohne Schwierigkeit („easily“) entfernen können und nun sei wieder die weiße Haut zu sehen. Auf dem Monitor war jedoch deutlich der gewölbte Wundrand erkennbar. Das halbe Auge war bis auf diese Stelle blutrot. Das würde in 4 Wochen verschwinden, jeden Tag ein bisschen mehr. Sie ließ sich den Beutel zeigen, den Tablettenstreifen, die Augentropfen und die künstlichen Tränen. Diese könne ich mir einträufeln, wann immer ich das Bedürfnis hätte. Sie empfahl die Tropfen im Kühlschrank aufzubewahren. Das würde dem Auge gut tun. Wichtig wäre, nicht am Auge zu reiben und den Kontakt mit Wasser auf jeden Fall zu vermeiden, und TV und Computer solle ich in den ersten Tagen reduzieren. Nächsten Sonntag sollten wir wieder kommen. Bis dahin würde sie sich um das Untersuchungsergebnis bemühen. Jetzt könnten wir schoppen gehen. Meine Frage, ob ich auf der linken Seite schlafen dürfe, bejahte sie lachend.

Wir empfinden beide große Sympathie für diese Frau. Beim Begleichen der Rechnung wurde uns gesagt, dass sie keine Gebühr für die heutige Untersuchung verlangen würde. Es waren nur die standardmäßigen 50 plus 70 Baht zu zahlen. Wir nahmen unseren Terminschein und gingen zufrieden zur Silom hinüber.

Die Restaurants und Geschäfte waren um diese Zeit noch geschlossen. Straßenkehrerinnen und ein Wasserwerfer reinigten die Rinnsteine. Wir wollten in einem kleinen chinesischen Restaurant essen, warteten aber dann doch, bis um 10.30 der Fuji öffnete. Ich behielt selbst dort meine dunkle Brille auf. Es war einfach für das Auge angenehmer. Von jetzt an urteile ich nicht mehr vorschnell, wenn ich jemand mit Sonnenbrille in Kaufhäusern sehe. Nach dem Essen war mir nicht nach Schoppen zumute und wir fuhren mit U-Bahn und Airportlink nach hause.

Den Rest des Tages verbrachte ich ruhend und nachdem ich mir vor dem Schlafen gehen das Auge zugeklebt hatte, schlief ich nach einigen Nächten wieder gut. Ich gebe mir nun viermal täglich die antibiotischen Augentropfen und alle eineinhalb bis zwei Stunden die Tränen ohne Konservierungsmittel. Ich achte dabei streng auf Hygiene. Draußen und meist auch drinnen trage ich die dunkle Brille und ich schließe oft die Augen oder lege mich hin. Vor dem Zubettgehen reinige ich die Lider mit sterilen Wattebällchen und Kochsalzlösung aus dem Pflegeset, klebe eine gefaltete sterile Kompresse mit dem mitgegebenen Klebeband darauf und das Plastikschild darüber. Nach dem Aufstehen reinige ich die Lider erneut mit der Kompresse. Duschen kann ich vom Hals abwärts, das Gesicht wasche ich vorsichtig mit einem feuchten Tuch und meine Haare wäscht mir meine Gattin draußen mit dem Gartenschlauch.

Von Tag zu Tag verbessert sich das Befinden und das Erscheinungsbild des Auges. Die Rötung ist merklich zurückgegangen. Doch ich lasse ihm Zeit und setze die verordneten Maßnahmen fort. Die operierte Stelle wird wohl als solche erkennbar bleiben. Ich hoffe, dass die Wucherung nicht zurückkehrt. Als wir am Mittwoch unseren üblichen Ausflug zum Pflanzenmarkt auf dem Chatuchak machten, scheiterte ich daran, mir selber die Tropfen im Bus zu geben. Daheim läuft das Notebook wieder fast den ganzen Tag, aber ich mache öfters Pausen. Am Donnerstag ließen wir zum ersten Mal eine Masseuse ins Haus kommen, 300 Baht für zwei Stunden.

Ich unterlasse es mal, die spirituellen Erfahrungen dieser Tage zu schildern. Jedenfalls fühle ich mich wieder dem Leben näher, bin dankbarer für den Augenblick und leichter im Jetzt. Meine Worte und die Notwendigkeit, sie auszusprechen, überprüfe ich sorgfältiger. Diesen Bericht, der wohl ein halber Roman geworden ist, habe ich verfasst, um selbst das Geschehen zu verarbeiten, um Freunde und Verwandte informieren zu können und um zwei Kliniken mit einander zu vergleichen. Vielleicht zieht jemand Nutzen daraus.

Morgen heißt es wieder früh aufstehen. Wir werden per Bahn fahren. Ob es der letzte Besuch im Chulalongkorn sein wird, werden wir sehen.