Samstag, 28. April 2012

Gott? Erfahrungen 1


Die Gestalt war nicht groß. Sie leuchtete in einem seltsamen Licht und sprach kein Wort. Ich war wie elektrisiert und fürchtete mich sehr. Erst nachdem ich drei Rosenkränze gebetet hatte, schlief ich vor Erschöpfung ein. Am Morgen erkannte ich an jener Stelle einen Heizstrahler, eine UV-Lampe, die vom Mond beschienen worden war. Ich war damals vielleicht acht oder zehn Jahre alt und mein Bedarf an Engelserscheinungen war fürs Leben gedeckt. 

Es sind aus meiner Sicht kleine Ereignisse wie dieses, die in einem jungen  Menschen bestimmte Programme aufleben lassen und die Richtung für die Lebensaufgaben weisen. Nicht erlernte, konfessionelle Vorstellungen helfen dem nach religiöser Befriedigung Strebenden und festigen ihn und überdauern alle Zweifel und Rückschläge, sondern die mit Leib und Seele gemachten Erfahrungen. Vielleicht kennen wir alle den einen oder anderen Frommen, der in die Kirche und zu Wallfahrten lief, gerne Gebete und Glaubensaufsätze aufsagte, und bei dem am Ende nichts übrig blieb als Leere und Demenz. Wenn der Glaube an Gott nur auf Worten beruht, so ist, wenn die Worte ausgehen, auch Gott weg.

Von meinen eigenen Erfahrungen mit Gott will ich hier berichten. Nicht von Gotteserfahrungen vergleichbar mit Nahtoderlebnissen, nicht von Erscheinungen oder Stimmen, sondern kleinen Abenteuern, unvergesslichen Erfahrungen und durchdringenden Erkenntnissen. Von Stationen eines Weges, der früh begonnen hat und dessen Etappen immer kürzer und klarer werden.

Ich erinnere mich daran, in frühester Kindheit einen wiederholten Albtraum gehabt zu haben, in dem ich stets einen Abgrund hinabstürzte und schreiend aufgewacht bin. Eine Erinnerung der Seele? Mit der Zeit jedenfalls lernte ich, dass mir dabei ja nicht wirklich etwas zustößt und von da an sprang ich mit Begeisterung jede Anhöhe im Traum hinunter und landete sanft. Dies sehe ich als symptomatisch für mein Leben an: die Fähigkeit, immer wieder bereitwillig loszulassen, frei zu sein und zu erkennen, dass alles gut so ist wie es ist. 

Als ich in einer Piccoloausgabe eines Comicheftes las, wie der Held (Sigurd oder Tibor) im Dschungel in einen verlassenen Tempel aus der Vorzeit eindringt, erfasste mich eine seltsame Erregung. Immer wieder holte ich das Heft hervor. Instinktiv wusste ich, dass es diese verborgenen Stätten und untergegangenen Kulturen gibt. Und ich halte es nicht nur für interessant sondern für entscheidend wichtig, sich über die rätselhafte Vergangenheit der Menschheit Klarheit zu verschaffen.


Ich erhielt eine ausgeprägte katholische Erziehung. Erst ab der 3.Grundschulklasse wurden wir Kinder aus beiden Konfessionen zusammen unterrichtet. Meinem alten Lehrer machte ich die Freude und antwortete auf die Frage nach meinem Berufswunsch: Pfarrer. Und ich glaubte, dass die Barock-Engelchen an der Decke der Kartausenkirche in Buxheim mich ermunterten, in dieses Knabeninternat einzutreten. Aber heute denke ich, dass ein einfacher Satz meinem Leben die entscheidende Richtung gab. Wir sprachen nie darüber und mein Vater erklärte sich auch nicht, doch des Öfteren bemerkte er: "Das Leben ist ein Schwindel!" Wenn dieser ruhige, hilfsbereite, hart arbeitende, gestandene Mann am Sinn des Lebens zweifelte, so war es um so mehr meine Aufgabe, diesen Sinn zu finden. Alles andere war zweitrangig.

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