Donnerstag, 7. Oktober 2010

Gegenwärtiges

Mal wieder ein Einblick in unser Leben als Auswanderer. Seitdem der Sohn und seine Freundin ausgezogen sind, leben wir zufrieden zu zweit in diesem großen Haus mit Tapeten an den Wänden, drei Bädern (naja, Nasszellen) und drei Zimmern und offenem Wohnraum oben und Wohn- und Esszimmer unten. Der Kühlschrank ist gut bestückt, die Schränke sind vollgestopft mit unnötigen Sachen und der Garten ist reichlich angefüllt mit Sala, Steintischgruppe und unzähligen Pflanzen und Töpfen und Töpfchen. Wir wohnen in einer ruhigen, bewachten Siedlung mit Parks und Seen und Sportanlagen. Nahe am Flugplatz gelegen haben wir gute Verkehrsverbindungen nach allen Seiten. Die Nachbarn sind freundlich und hilfsbereit und beschenken uns häufig mit Esssachen. Wir sind mit uns und dem Leben hier zufrieden. Langeweile kennen wir nicht. Deng arbeitet hingebungsvoll an der Gestaltung des Gartens und ich nütze die gute Internetverbindung. Mittwochs fahren wir zum Pflanzenmarkt auf dem Chatuchak und alle drei, vier Tage besuchen wir eines der Einkaufszentren zum Flanieren, Eisessen, Einkaufen und Japanisch essen im Fuji. Mit dem Taxi die zwei Kilometer zur Hauptstraße und dann 20 oder 30 km mit dem Bus, auch mal mit dem Sammeltaxi durch ländliche Gegenden, da wir ja am Stadtrand wohnen.

Ein lieber Freund meint, dass ich in Luxus leben würde und dies doch eigentlich im Gegensatz zu meinem Streben nach Erleuchtung stehe. Einen Widerspruch kann ich da nicht finden, aber mit dem Luxus hat er wohl recht. Ich darf nicht nur materielle Annehmlichkeiten genießen. Ich gönne mir den Luxus Zeit zu haben und nicht für den Lebensunterhalt arbeiten zu müssen. Ich habe es warm, meistens zu warm, und ganzjährig grünt und blüht es um mich. Ich begegne vielen jungen und lächelnden Menschen. Zu meinem Luxus zähle ich ebenso meine Gattin, mit der ich nun über 35 Jahre verheiratet bin, und die mich mit Liebe bekocht, eben auch oft mit deutscher Küche.

Dabei sind unsere Mittel nicht unerschöpflich. Vielleicht müssen wir später in Deutschland von Unterstützung leben bis wir Rente beziehen können. Aber bis 2012 sollte es reichen, dann ist eh alles anders. Wir denken nicht viel an morgen und hoffen nur zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Wir versuchen ein wenig zu sparen, nachdem wir nun zusätzlich die Raten des Sohnes für das Haus zahlen. Er hat den Kontakt mit uns abgebrochen, schon vor dem Auszug, als wir uns seinen Plänen in den Weg stellten, das Haus für 28 Jahre der Bank zu verpfänden. Wir sind weder enttäuscht noch sauer auf ihn. Es kommt, wie es kommen soll. Vielleicht findet sich auch ein Käufer für das Haus.

Ein Teil meiner Vergangenheit musste ich auch hinter mir lassen, als die Festplatte des alten PCs den Geist aufgab. Ich habe mir einen neuen gekauft und dabei das Bemühen, die Fotos und Daten noch zu retten, nicht aufgegeben. Es gilt dennoch loszulassen. Verabschieden musste ich mich auch von meinem Schwager, der sechs Jahre vor uns nach Chiang Mai auswanderte, während seine thailändische Frau, also die Schwester meiner Gattin, in Deutschland blieb. Er ging mit starken Leibschmerzen ins Krankenhaus und verstarb am folgenden Tag an einer geplatzten Bauchaorta. Er war glücklich in seiner selbst gewählten Heimat und ist uns nun in die andere vorausgegangen. Doch was einzig zählt ist die Gegenwart.

2 Kommentare:

She's hat gesagt…

Es ist schön zu wissen, das uns das Leben "im Außen" niemals bei unseren inneren Suche im Wege stehen kann.

Das Leben, das wir wählen, ob nun in Luxus, als Fensterputzer, Büroangestellter, Manager oder in Armut, bringt uns die für uns relevanten Gelegenheiten und Aufgaben, von denen wir lernen und durch die wir wachsen können. Und dazu gehört für uns auch immer wieder das Loslassen von Geliebtem, bis wir allem Überflüssigem ledig geworden sind.


Herzliche Grüße nach Bangkok an Dich, lieber Khun Han.
Annie

Khun Han hat gesagt…

Für diese Inkarnation habe ich mir ein einfaches Leben ausgesucht, keines im Luxus, keines im Lampenlicht und mit vielen Titeln und Ehren. Um meinen Auftrag zu erfüllen, war immer genug da. Es geht mir sicher besser als vielen hier im Land. Aber die Aufforderung, alles zu verkaufen und den Armen zu geben, richtete Jesus nur an einen bstimmten jungen Mann, weil dessen Haften am Geld sein größtes Hindernis in der Nachfolge war. Reiche dürfen reich sein. Sie haben nur eine größere Verantwortung.
Liebe Annie, wie Du sagst und wunderbar in Deinem Blog mit vielen wichtigen Beispielen beschreibst, es kommt auf das Üben im Loslassen an. Und das Loslassen von Ängsten, von Hochmut und falschen Vorstellungen ist entscheidender als in Sack und Asche zu gehen.

Ein lieber Gruß zurück!