Samstag, 9. Juli 2011

Der Wesenskern

Wenn jemand einen Blog betreibt mit dem Thema Erleuchtung, wird er sicher nicht eines Tages schreiben : „Gestern habe ich die Erleuchtung erlangt. Ihr könnt Buddha zu mir sagen.“. Er wird sich in diesem Fall wohl eine Weile Zeit nehmen, um seine Erfahrung zu vertiefen und an das Leben anzupassen. Vielleicht wird sein unbedeutender Bog nicht mehr sein Podium sein. Nun, ich spreche nicht über meine Erleuchtung, aber ich wollte warten, um das zu prüfen und die richtigen Worte dafür zu finden, was ich glaube, der Welt verkünden zu können. Allerdings hätte ich das schon vor Monaten tun sollen. Es hat wohl der Sache mit dem Auge bedurft, um mir zu zeigen, dass des faulen Mannes Weg zur Erleuchtung nicht funktioniert.

Es ist ein einfacher Gedanke, eigentlich nicht neu und doch potentiell weltbewegend. Keine Lehre und doch passt er auf viele Lehren und Wege und hilft aus manchen Sackgassen heraus und er kann die Welt erklären.

Als Jugendlicher flehte ich: „Gott, ich will Dich sehen!“ Ich stellte Thesen auf: „Wenn Gott nicht in dieser Pfütze sein kann, dann ist er nicht Gott.“ „Es kann nicht das Unvollkommene geben, denn wenn das Vollkommene nicht auch das Unvollkommene sein kann, dann ist es nicht vollkommen.“ Mir wurde bewusst, dass wir im Innersten eins mit dem Göttlichen sein müssen. Ausgedrückt fand ich es in: Atman gleich Brahman. Dieser Satz zog mich nach Indien, ließ mich Haus und Hof verlassen und Buddha gleich auf die Suche gehen.

Heute hören wir oft: „Wir sind göttlich. Wir sind Söhne und Töchter Gottes. Wir sind Gott.“ Und es ist wahr, es ist erfahrbar wahr. Nur ist es für den Suchenden ein langer Weg, voll von falschen Verheißungen und Enttäuschungen. Wie sollen die beiden Enden zusammen gebracht werden? Zu viele Lehren und Richtungen, zu viele menschliche Schwächen stehen da dazwischen. Dabei ist das ganze Universum daraufhin ausgerichtet. Man könnte sagen, dass es auf der Erde wie im Universum darum geht, dass jedes Lebewesen seine Bestimmung finden und leben kann und dabei glücklich ist. Diese Glückseligkeit wird der Mensch nur finden, wenn er seinem natürlichen Bedürfnis der Suche nach dem Vollkommenen nachgeht und dieses findet oder sich darin wieder findet. Die Suche gestaltet sich meist schwierig und kann in Sucht oder Resignation stecken bleiben. Das geschieht, wenn man lediglich die beiden Pole sieht, den Menschen und Gott, und als Mensch versucht, innerhalb seiner Vorstellung mit Gott gleich zu ziehen. Doch der Mensch ist mehr als nur Körper und Verstand.

Der Mensch hat eine Seele, noch besser: der Mensch ist Seele. Körper und Seele sollten aber nicht getrennt werden. Man darf nicht versuchen, diesem Leben zu entrinnen, um die in einer anderen Existenz oder in einem Erleuchtungszustand wartende Glückseligkeit zu genießen. Aber dennoch können wir uns als Seele, als Geist erfahren. Ja, wir können bis auf den Seelengrund gelangen, wie Meister Eckhart lehrte, und dort in das Göttliche eintauchen. Dies ist unser innerstes Wesen, unsere Anbindung an Gott. Manche nennen es Gottesfunken oder Christuslicht. Im Urantia-Buch wird erklärt, dass jedes Menschenkind bei seiner ersten Entscheidung für das Gute einen Gedanken-Justierer bekommt. Ich mag diesen aus dem Englischen übernommenen Begriff nicht besonders, aber es beschreibt das, was ist und geschieht. Dieser (ich nenne es:) Wesenskern ist bestrebt sich mit unserem Bewusstsein, unserer Persönlichkeit zu vereinen. Er ist in allem Gott-gleich, nur dass er erst Persönlichkeit erhält in der Vereinigung mit dem Wesen, dem er innewohnt. In ihm sind wir mit Gott und mit allem Leben und mit der ganzen Schöpfung verbunden. Der Wesenskern respektiert unseren freien Willen. Und doch hört er nicht auf, mit Liebe und Geduld uns zur Freiheit zu führen.

Diese Vorstellung eines innewohnenden göttlichen Wesenskerns passt wie eine Schablone auf fast alle religiösen Erfahrungen und Bekenntnisse. Es bleibt nichts anderes zu tun, als diesem Wesenskern in uns Raum zu geben. Es kann also gesagt werden, dass wir göttlich sind, dass wir bereits erleuchtet sind, es nichts zu erreichen gibt, weil es bereits da ist. In diesem Sinne ist Gotteserkenntnis Selbsterkenntnis. Wenn wir uns Gott im Gebet zuwenden, tun wir dies in, durch und für unseren Wesenskern. Im Wesenskern erfahren wir die unendliche Liebe Gottes und können nicht anders, als diese Liebe zu erwidern. In dieser Liebe ist noch eine besondere Kraft: die Liebe und Führung durch Jesus, die ganz dem Menschen zugewandte Seite Gottes. Dies wahrzunehmen ist eine Sache der Erfahrung, nicht nur des Glaubens. Es gehören aber noch einige Voraussetzungen dazu, den Wesenskern, dieses Reich Gottes, das Jesus lehrte, zu erreichen. In weiteren Posts werde darüber schreiben. Vorausgeschickt sei, dass es keinesfalls um eine Lehre geht. Die Wahrheit ist immer etwas Lebendiges, das sich nicht in Formeln oder Credos oder in intellektuelle Leitbilder einsperren lässt.

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